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„Berliner Raser-Fall“: Mordurteil zum Teil aufgehoben

Der BGH hat die Verurteilung des Hauptangeklagten im Prozess um ein illegales Autorennen auf dem Berliner Kurfürstendamm wegen Mordes bestätigt; der Fall des zweiten Fahrers muss jedoch neu verhandelt werden.

Hintergrund des Verfahrens ist ein zwischen den Angeklagten ausgetragenes illegales Straßenrennen, das zum Tod eines unbeteiligten Verkehrsteilnehmers führte. Das LG Berlin hatte die beiden zur Tatzeit 24 und 26 Jahre alten Angeklagten im ersten Rechtsgang u.a. wegen mittäterschaftlich begangenen Mordes zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. Auf die Revisionen der Angeklagten hatte der 4. Strafsenat des BGH das Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LG Berlin zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang hat das LG Berlin die beiden Angeklagten nunmehr erneut u.a. wegen Mordes zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hat sich am 01.02.2016 folgendes zugetragen: Die beiden angeklagten jungen Männer verabredeten sich zu einem illegalen Autorennen in der nächtlichen Berliner Innenstadt. Sie rasten, jeweils mit dem Willen, das Rennen für sich zu entscheiden, insgesamt ca. 1,5 Kilometer mit hohen Geschwindigkeiten zweispurige Hauptverkehrsstraßen entlang und schließlich auf eine ampelgeregelte, große, für sie nicht einsehbare Kreuzung zu. Die Ampel zeigte für sie rotes Licht. Obwohl die Angeklagten bei Zufahrt auf die Kreuzung bereits aus einer Entfernung von 250 Metern die hochgefährliche und unfallträchtige Situation erkannten, beendeten sie das Rennen nicht. Vielmehr entschlossen sie sich, das Rennen um des Sieges willen unter nochmaliger Steigerung der Geschwindigkeiten und trotz Rotlichts über die Kreuzung hinaus fortzusetzen, und nahmen – so das Landgericht – dabei auch einen Verkehrsunfall im Kreuzungsbereich mit für einen anderen Verkehrsteilnehmer tödlichen Folgen billigend in Kauf. In der Kreuzung kollidierte das Fahrzeug des auf der rechten Spur fahrenden Angeklagten mit einer Geschwindigkeit von etwa 160-170 km/h ungebremst mit einem anderen Fahrzeug, dessen Fahrer bei Grünlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren war. Dieser starb noch an der Unfallstelle, die sich nach dem Unfall als ein Trümmerfeld darstellte. Der Angeklagte trug nur leichte Verletzungen davon.

Der BGH hat die Revision des am Unfall unmittelbar beteiligten Angeklagten verworfen. Er hat bei diesem Angeklagten insbesondere den Schuldspruch wegen Mordes bestätigt und lediglich eine Schuldspruchkorrektur vorgenommen.

Nach Auffassung des BGH hat das Landgericht maßgeblich aus der außergewöhnlichen Gefährlichkeit des Fahrverhaltens des Angeklagten und der damit einhergehenden und von ihm erkannten Unfallträchtigkeit auf die billigende Inkaufnahme eines schweren Verkehrsunfalls mit tödlichen Folgen für den Unfallgegner und damit auf ein bedingt vorsätzliches Handeln dieses Angeklagten geschlossen. Es sei dabei den hohen Anforderungen an die Prüfung der vorsatzkritischen Aspekte gerecht geworden, die dieser Fall in besonderem Maße aufwarf. Das Landgericht habe insoweit insbesondere bedacht, dass schon wegen der mit einem Unfall verbundenen Eigengefährdung des Angeklagten das Tatbild von einem typischen vorsätzlichen Tötungsdelikt abwich. Auch mit dem Handlungsmotiv des Angeklagten, den Rennsieg davonzutragen, der durch einen Unfall zwangsläufig vereitelt würde, habe es sich ausreichend auseinandergesetzt.

Bei Prüfung der Eigengefahr als vorsatzkritischen Umstand habe das Landgericht zu Recht nur auf das tatsächlich eingetretene Unfallgeschehen abgestellt. Es habe tragfähig begründet, dass der Angeklagte diesen Unfallhergang als möglich erkannte, die hiervon ausgehende Gefahr für sich selbst aber als gering einschätzte und hinnahm. Der BGH hat unter diesen Umständen die Erörterung der Frage, ob dem Angeklagten, als er den Entschluss fasste, das Rennen trotz der erkannten Unfallgefahr fortzusetzen, auch andere Unfallszenarien mit einem möglicherweise für ihn höheren Gefahrenpotential vor Augen standen, für entbehrlich erachtet.

Auch dem Handlungsmotiv des Angeklagten, das Rennen zu gewinnen, habe das Landgericht mit tragfähiger Begründung keine vorsatzausschließende Bedeutung beigemessen. Es habe belegt, dass der Angeklagte erkannte, das Rennen nur bei maximaler Risikosteigerung auch für Dritte unter Zurückstellung aller Bedenken gewinnen zu können, und ihm deshalb die Folgen des bewusst hochriskanten Fahrverhaltens gleichgültig waren.

Auch die Bewertung der Tat als Mord sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar weise die Beweiswürdigung des Landgerichts zur subjektiven Seite des Mordmerkmals der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln durchgreifende Rechtsfehler auf. Da das Landgericht die Mordmerkmale der Heimtücke und der Tötung aus niedrigen Beweggründen rechtsfehlerfrei bejaht habe, wirke sich dies auf den Strafausspruch aber nicht aus.

Das Urteil gegen diesen Angeklagten ist damit rechtskräftig.

Auf die Revision des Mitangeklagten, dessen Fahrzeug nicht mit dem des Unfallopfers kollidierte, hat der BGH das Urteil, soweit es diesen Angeklagten betrifft, insgesamt aufgehoben.

Nach Auffassung des BGH konnte die Verurteilung wegen mittäterschaftlich begangenen Mordes keinen Bestand haben, weil die Beweiswürdigung des Landgerichts die Feststellung eines gemeinsamen, auf die Tötung eines Menschen gerichteten Tatentschlusses nicht trägt. Das Landgericht habe sich lediglich mit dem Vorsatz betreffend einen durch den Mitangeklagten selbst verursachten Unfall auseinandergesetzt. Nicht belegt sei die mittäterschaftliche Zurechnung der Tat des Unfallverursachers. Dass die Angeklagten – wie das Landgericht gemeint habe – während des Zufahrens auf die Kreuzung den auf das Straßenrennen ausgerichteten Tatplan konkludent auf die gemeinsame Tötung eines anderen Menschen erweiterten, liege angesichts ihrer Fokussierung auf das Rennen auch fern.

Gegen diesen Angeklagten wird das Landgericht deshalb in einem dritten Rechtsgang nochmals zu verhandeln haben.

Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 78/2020 

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